Reisen
Reisen bedeutet für viele Menschen Lebensqualität. Auch viele Patienten mit Multipler Sklerose zieht es im Urlaub hinaus in die Ferne, um fremde Länder und Kulturen kennenzulernen. Zwar gibt es heutzutage beim Reisen kaum mehr Einschränkungen, Menschen mit einer chronischen Erkrankung wie der MS sind aber gut beraten, sich rechtzeitig vor der Urlaubsbuchung zu informieren, was im individuellen Fall konkret zu beachten ist. Wie Patienten gut beraten werden können, erläutert Professor Dr. Stefan Bittner vom Universitätsklinikum Mainz.
Das Reiseziel
Wohin die Urlaubsreise gehen soll, ist eine sehr individuelle Frage. Bei der Beratung der Patienten sind verschiedene Punkte zu bedenken: Die Reise ist dem gesundheitlichem Zustand anzupassen. Es versteht sich von selbst, dass die meisten MS-Patienten keine Klettertouren unternehmen oder andere Extremsportarten im Urlaub betreiben werden. Bestehen keine oder wenig körperliche Einschränkungen, sind Betroffene ansonsten aber weitgehend frei in ihrer Urlaubsgestaltung.
Generell eher ungünstig sind jedoch aufgrund des Uhthoff-Phänomens heiße Regionen, da sich unter hohen Temperaturen MS-Symptome auch unabhängig von einem akuten Schub verstärken können. In diesem Zusammenhang sollte Patienten empfohlen werden allgemein darauf zu achten, dass die Reise körperlich nicht zu anstrengend ist.
Bestehen hingegen körperliche Einschränkungen, so ist dem auch bei der Reiseplanung Rechnung zu tragen. Dies betrifft unter anderem die Frage nach dem jeweils am besten geeigneten Verkehrsmittel, also ob die Reise zum Urlaubsziel per Flugzeug, Bahn oder mit dem PKW erfolgen soll. Fällt die Entscheidung für den PKW, müssen unbedingt ausreichend Pausen auf der Reise eingeplant werden.
Bei der Wahl der Unterkunft am Urlaubsort ist rechtzeitig zu klären, ob diese den individuellen Bedürfnissen gerecht wird, also zum Beispiel ob Treppen zu bewältigen sind oder ob die Einrichtungen des gewählten Hotels barrierefrei zu nutzen sind.
Medizinische Versorgung vor Ort
Eine wichtige Frage vor der Reisebuchung ist außerdem, inwieweit eine medizinische Versorgung im Urlaub gewähreistet ist. Gibt es am Zielort einen Neurologen oder ein neurologisches Zentrum, in dem man behandelt werden kann, wenn es zu einem akuten Krankheitsschub kommen sollte? Patienten sollten vorsorglich am besten eine kurze Krankheitsgeschichte in deutscher und englischer Sprache mitführen, um die Behandlung vor Ort zu erleichtern.
Hinsichtlich der Versorgung mit Medikamenten heißt das Motto „selbst ist die Frau bzw. der Mann“, die erforderlichen Medikamente sollten in ausreichender Menge für die gesamte Reisedauer mitgenommen werden. Das gilt insbesondere für Auslandsreisen, da meist nicht sichergestellt ist, dass die gewohnten Wirkstoffe im Ausland in gleicher Dosierung und gleicher Qualität besorgt werden können. Die Medikamente gehören unbedingt ins Handgepäck, da Koffer auch einmal verloren gehen können. Je nachdem wie die medizinische Versorgung vor Ort organisiert ist, ist außerdem zu überlegen, ob vorsorglich auch Kortison in oraler Form quasi als Stand-by-Medikation für den Fall eines akuten Schubs verordnet werden sollte.
Viele Immuntherapeutika müssen während der gesamten Reise gekühlt aufbewahrt werden. Am besten ist es, dem Patienten die therapeutischen Notwendigkeiten bis hin zum Mitführen von Kühlakkus offiziell zu bescheinigen, in Deutsch und Englisch. „Sonst könnte es Schwierigkeit beim Zoll geben“, so Bittner. Vorsorglich ist auf jeden Fall ein Zeitpuffer im Reiseverlauf einzuplanen.
MS-Patienten, die eine orale Medikation erhalten, haben diese Probleme nicht. Auch bei einer medikamentösen Behandlung, die als Infusionstherapie mit großem zeitlichem Abstand verabreicht wird, kann die Reise gut so geplant werden, dass dieser Punkt entfällt. Dann allerdings ist sicherzustellen, dass die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen zuverlässig erfolgen können. Sind während des Aufenthaltes Blutentnahmen und Kontrolluntersuchungen notwendig und wo können diese erfolgen? Fragen, die rechtzeitig und am besten schon vor der Reisebuchung zu klären sind.
Reiseimpfungen – was ist wichtig?
Besonderer Beratungsbedarf besteht bei MS-Patienten, die eine Reise in ferne, eher exotische Länder planen. Zwar ist generell zu prüfen, ob ein ausreichender Impfschutz entsprechend der hiesigen Impfempfehlungen besteht, darüber hinaus ist aber auch zu klären, ob im Reiseland spezielle Impfungen vorgeschrieben sind oder empfohlen werden. Dies sollte unbedingt frühzeitig geschehen, um den Impfschutz vor Reiseantritt zuverlässig realisieren zu können. Welche Impfungen empfohlen werden, kann in einem reisemedizinischen Zentrum für das jeweilige Reiseland erfragt werden.
Vorsicht ist bei Lebendimpfung geboten. Diese werden laut Bittner nicht empfohlen, da sie einen akuten Krankheitsschub auslösen können. „Das betrifft insbesondere die Gelbfieberimpfung“, sagt der Neurologe. Bei Impfungen mit einem Totimpfstoff ist nach seiner Darstellung zu beachten, dass unter einer immunmodulatorischen Therapie der Impferfolg eingeschränkt sein kann. Sind Impfungen erforderlich, so ist im Nachgang zu der Impfung gegebenenfalls eine Titerkontrolle vorzunehmen. Je nachdem in welches Land die Reise gehen soll, kann es außerdem ratsam sein, für den Patienten eine Bescheinigung in Deutsch und Englisch über den Impfschutz auszustellen.
Malariaprophylaxe
Bei Reisen in eher exotische Länder ist in einem reisemedizinischen Zentrum auch die Notwendigkeit einer Malariaprophylaxe abzuklären. Zu erfragen ist dort auch, welche Medikamente aktuell für eine Reise in die Zielregion empfohlen werden.
Üblicherweise können die Arzneimittel zur Malariaprophylaxe ohne Bedenken hinsichtlich der MS-Medikation eingenommen werden, allerdings ist auf die Möglichkeit von Interaktionen zu achten. Zu berücksichtigen ist nach Bittner auch, dass die Malariaprophylaktika von den Patienten oft generell nicht gut vertragen werden. Es kann zu Übelkeit, Darmbeschwerden und Schwindel kommen, was insbesondere bei anstrengenden Reisen die Urlaubsfreude erheblich trüben kann. Bittner: „Auch solche Punkte sind bei der Reiseplanung zu berücksichtigen“.
Zusammenfassung
Im Allgemeinen können Patienten mit Multipler Sklerose Reisen unternehmen und das auch, wenn körperliche Einschränkungen bestehen. Es gibt sogar Reiseveranstalter, die spezielle Reisen für Menschen mit Handicap anbieten. Wichtig ist allerdings, dass - auch unabhängig vom Reiseanbieter - die Urlaubsreise gut geplant wird und zwar von der Wahl des Zielorts über die Organisation des Reiseablaufs bis hin zur Klärung der Möglichkeiten einer medizinischen Versorgung vor Ort und der empfohlenen Impfungen.
Apropos
Menschen mit Multipler Sklerose sollten unbedingt im Vorfeld mit ihrer Krankenkasse klären, inwieweit möglicherweise während der Reise entstehende Krankheitskosten getragen werden. Im Zweifelsfall ist bei Reisen ins Ausland zudem der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung ratsam, die jedoch unbedingt auch chronische Erkrankungen abdecken sollte. Da die Reise in aller Regel schon frühzeitig geplant und gebucht wird, ist es ferner sinnvoll, eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen. Diese sollte auch medizinische Gründe für einen Rücktritt von der Reise abdecken.
MAT-DE-2304276-1.0-09/2023