Lysosomale Speicherkrankheiten sind erblich bedingte Stoffwechselerkrankungen, bei denen – aufgrund einer Variation in einem Gen - der Organismus funktionierende lysosomale Enzyme nicht oder nicht in ausreichendem Maße herstellen kann. Im Lysosom werden unter anderem Stoffwechselprodukte der Zelle abgebaut. Die Defizienz eines lysosomalen Enzyms führt dazu, dass Moleküle nicht mehr vollständig verarbeitet werden können und stattdessen akkumulieren – was zu Fehlfunktionen im Körper führen kann.
Lysosomale Speicherkrankheiten folgen einem ähnlichen Mechanismus, weisen eine Vielfalt unspezifischer Symptome auf und sind schwer zu erkennen.
Mittlerweile sind etwa 50 lysosomale Speichererkrankungen bekannt. Es sind seltene, vererbbare Krankheiten, die unbehandelt immer weiter fortschreiten. Abhängig von dem betroffenen Enzym führen sie zu Störungen in unterschiedlichen Organsystemen, die sich als komplexe Symptome äußern. Einige lysosomale Speicherkrankheiten, wie zum Beispiel Morbus Gaucher, ASMD, Morbus Fabry, Morbus Pompe und Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I) können heute mit Enzymersatz- oder Substratreduktionstherapien behandelt werden.
- Enzymersatztherapie: Die Enzymersatztherapie ist derzeit das häufigste Therapieprinzip. Bei einigen Erkrankungen ist es gelungen, das fehlende Enzym gentechnisch herzustellen und über regelmäßige intravenöse Infusionen zuzuführen.
- Substratreduktionstherapie: Daneben besteht ein weiterer Behandlungsansatz darin, die Herstellung des Stoffwechselprodukts, das nicht abgebaut werden kann, mit Medikamenten zu hemmen. Seine Produktionsrate wird somit der verminderten Abbaurate angepasst.
- Chaperontherapie: Bei einem Teil der Patient*innen liegt der Enzymmangel darin begründet, dass das Enzym zwar hergestellt, aber nicht korrekt gefaltet wird. Hier helfen in bestimmten Fällen sogenannte molekulare Chaperone, die sich vorübergehend mit dem Enzym verbinden, um das Enzym in seine funktionsfähige Form zu bringen.
- Gentherapie: Hierbei werden Krankheiten aufgrund krankheitsbedingter Gene durch die Anwendung rekombinanter DNA- oder RNA-Techniken (Bausteine der genetischen Informationen in jeder Zelle) behandelt. Durch eine kurative Veränderung des Genoms (gesamte genetische Information in jeder menschlichen Zelle) der Zellen eines Menschen können Erbkrankheiten heute bereits behandelt werden. Beispielsweise wird so ein vererbtes defektes Gen durch Einführen eines intakten Gens in Zellen ausgeglichen, so dass eine intakte Funktion der Zelle wieder ermöglicht werden kann. Dieses eingebrachte Gen dient somit als therapeutischer Stoff.
- Supportive (unterstützende, begleitende) Therapien: Für viele lysosomale Speicherkrankheiten sind allerdings bislang keine spezifischen Therapien verfügbar; für einige befinden sie sich in der Entwicklung. Zudem wirken die vorhandenen Therapien nicht bei allen Symptomen und Manifestationen gleich gut. Für alle diese Fälle bleiben supportive (unterstützende) symptomatische Therapien unverzichtbar. Dazu zählen beispielsweise Physio- und Ergotherapie.
Lysosomale Speicherkrankheiten sind sehr selten: Sie zählen zu den Orphan Diseases (seltene Krankheiten) und zeigen in ihrem Verlauf meist eine Vielzahl von verschiedenen Symptomen. Aus diesem Grund werden die Krankheiten bei vielen Patient*innen oft erst spät erkannt. Dabei ist eine frühe Diagnose gerade bei den Erkrankungen, für die eine spezifische Behandlung verfügbar ist, sehr wichtig. Denn dann besteht die Chance, schwere Organschäden zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern.
Lysosomale Enzyme sorgen normalerweise dafür, dass im Stoffwechsel anfallende Abfallstoffe aus den Zellen entsorgt bzw. wieder aufgearbeitet werden. Wenn das in Folge eines Enzymmangels nicht geschieht, sammeln sich diese nicht abbaubaren Stoffe in den Zellen an. Sie verursachen so Störungen, die zu Einschränkungen der Funktion und schließlich zum Untergang der Zellen führen können. Je nach Art des Defekts kommt es zu Schädigungen beispielsweise des Nervensystems, der Knochen, der Muskeln, Nieren und Milz, des Herzens und weiterer Organe.
Die meisten Symptome von lysosomalen Speichererkrankungen kommen auch bei anderen, häufigeren Erkrankungen vor. Meist sind es eher Symptomkombinationen, die auf eine lysosomale Speicherkrankheit hinweisen können und bei denen Ärzt*innen hellhörig werden sollten. Allerdings gibt es über 6.000 seltene Erkrankungen, sodass Ärzt*innen die Symptomkombinationen jeder einzelnen von ihnen im Praxisalltag nicht geläufig sein können. Dies führt vielfach dazu, dass Patient*innen zahlreiche Ärzt*innen aufsuchen müssen, bis schließlich die richtige Diagnose gestellt wird.
Die Sicherung der Diagnose von lysosomalen Speichererkrankungen erfolgt zumeist über den Nachweis einer verminderten Enzymaktivität im Blut. Ärzt*innen können Trockenbluttests für die lysosomalen Speicherkrankheiten Morbus Gaucher, ASMD, Morbus Fabry, Morbus Pompe und MPS I bestellen, um die Diagnose zu sichern. In bestimmten Fällen ist auch eine molekulargenetische Diagnostik notwendig, die auf derselben Trockenblutkarte erfolgen kann.
Für einen Teil der lysosomalen Speicherkrankheiten stehen heute spezifische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
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