Früherkennung

Typ-1-Diabetes früh diagnostizieren: Die Chancen gründlicher Vorbereitung
Durch eine Frühidentifikation von Typ-1-Diabetes (T1D) kann das Risiko von Akut-Komplikationen bei der klinischen Manifestation verringert werden. Hier erfahren Sie mehr über Früherkennung und wie sie dazu beitragen kann, Leben zu verändern und Gesundheitsrisiken zu minimieren.
Typ-1-Diabetes (T1D) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der autoreaktive T-Zellen nach und nach die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstören. Das führt erst langsam, dann kurz vor der klinischen Manifestation zu einer immer weniger Insulin produzierenden Bauchspeicheldrüse.1
~ 85 % der T1D-Fälle treten bei Personen ohne Familienanamnese auf1
Die genetische Komponente des Typ-1-Diabetes
- Gene des humanen Leukozyten-Antigens (HLA), die für die MHC-Klasse-II-Proteine kodieren, sind für ~ 50 % des genetischen T1D-Risikos verantwortlich; das größte Risiko tritt beim heterozygoten DR3/DR4-Genotyp auf.2,3,4
- Betroffene mit familiärem vs. sporadischem T1D weisen vergleichbare Autoantikörperprofile auf, was auf ähnliche immunologische Krankheitsmechanismen hindeutet5; allerdings war bei langsamer Progression das Auftreten des Insulinom-assoziierten Antigen-2-Autoantikörper (IA-2A) verspätet.7
- Groß angelegte Populationsstudien haben keinen signifikanten Unterschied in der zugrunde liegenden Pathophysiologie zwischen familiärem vs. sporadischem T1D gezeigt.4,5,6,7
- Mehrere T1D-Anfälligkeitsallele des Nicht-HLA-Typs, die alle in die Regulation der Immunantwort involviert sind, beeinflussen das rasche vs. langsame Fortschreiten der Krankheit: IL2, CD25, IL10, IFIH1, INSVNTR, IL18RAP und PTPN227.
- Neben der Genetik werden Umweltfaktoren als zur Pathogenese von T1D beitragend angesehen, u. a. mütterliche und intrauterine Umgebung, Art der Entbindung, Viren, Mikrobiom, Antibiotika und Nahrungsmittel/Ernährung.2
HLA, humanes Leukozyten-Antigen; MHC, Major Histocompatibility Complex, Haupt-Histokompatibilitäts-Komplex; T1D, Typ-1-Diabetes.
Inselautoantikörper – Diagnostische Marker zur Vorhersage des Typ-1-Diabetes
Bisher wird die T1D-Diagnose anhand der Symptome und dem Nachweis von Hyperglykämie bei der klinischen Manifestation gestellt. Allerdings treten erste Autoantikörper bereits im Säuglingsalter, mit einem Höhepunkt in den ersten beiden Lebensjahren, auf. Sie sind von prognostischer Bedeutung für die Entwicklung einer klinischen Manifestation des T1D.8 Durch die Bestimmung von Immunmarkern im Blut (Inselautoantikörper) kann T1D bereits in frühen, präklinischen Stadien sicher diagnostiziert werden, in denen noch keine klinischen Anzeichen der Erkrankung erkennbar sind.9 Inselautoantikörper treten bereits im Säuglingsalter auf, meist zwischen 6 Monaten und 3 Jahren, mit einem Höhepunkt um das 1. Lebensjahr.3 Der Nachweis von Autoantikörpern im Blut ist derzeit der wichtigste Marker für den Autoimmunprozess.
Progression des Typ-1-Diabetes – Frühzeitige Diagnose für eine bessere Behandlung

Zusammenfassende Studiendaten bestätigten, dass die Mehrheit der Kinder mit genetisch bedingtem Risiko und einem positiven Test auf Inselautoantikörper innerhalb von 15 Jahren T1D entwickelten.9 Die Progression zu Typ-1-Diabetes 10 Jahre nach Auftreten der Inselautoantikörper betrug bei Kindern
- mit mehreren Insel-Autoantikörpern 69,7 %
- mit einem einzelnen Insel-Autoantikörper 14,5 %
- mit keinen Inselautoantikörper im Alter von 15 Jahren 0,4 %.10
Durch einen Früherkennungstest auf Inselautoantikörper im Kindesalter könnten zukünftig Kinder mit einem präsymptomatischen Frühstadium des T1D unabhängig von ihrem genetischen Risiko diagnostiziert werden.11 Ob eine Antikörpertestung zur Vorhersage des T1D als allgemeine Routineuntersuchung bei allen Kindern der deutschen Bevölkerung eingeführt werden sollte, wird gegenwärtig diskutiert.12 Eine neue Definition des präklinischen Stadiums ist in jedem Fall dringend erforderlich. Tatsächlich haben 80 % der Kinder, die in der Kindheit T1D entwickeln, vor dem 5. Lebensjahr mehrere Inselautoantikörper.13
Durch eine frühzeitige Diagnose können alle Betroffenen im präsymptomatischen Frühstadium der Erkrankung geschult und präsymptomatisch behandelt werden, sofern notwendig. Gleichzeitig können die Auswirkungen der Früherkennung auf die klinische Manifestation (z. B. Häufigkeit von Komplikationen während der Manifestation) untersucht werden.1,11 Durch die Früherkennung des prädiabetischen Stadiums gewinnen Betroffene, Angehörige und auch der Behandelnde wertvolle Zeit, um sich auf die chronische Erkrankung vorzubereiten.12
Auch auf psychologischer Ebene sollten die Vor- und Nachteile der Früherkennung nicht unterschätzt werden. Einerseits ermöglicht die Früherkennung den Eltern eine intensive Auseinandersetzung mit der Erkrankung und den damit einhergehenden Veränderungen. Andererseits stellt die Ungewissheit über den Zeitpunkt der klinischen Manifestation eine zusätzliche, manchmal jahrelange Belastung dar und kann zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen.15
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