Klinik und Symptome der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD)

Die Symptome oder Beschwerden der Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) können unterschiedlich ausgeprägt sein. Angesichts der Fähigkeit des Körpers, die Erythrozytenproduktion auf das Achtfache zu steigern, weisen einige Patient*innen eine vollständig kompensierte Hämolyse oder nur eine milde Anämie ohne Symptome auf. Bei anderen Patient*innen können Symptome wie z. B. eine ausgeprägte Fatigue, Dyspnoe, Herzklopfen, Blässe und/oder Ikterus vorliegen. Durch kalte Temperaturen, aber auch Infektionen, Operationen oder andere Auslöser kann es selbst bei Patient*innen mit einer milden Symptomatik zur Exazerbation der Anämie beziehungsweise einer krisenhaften Hämolyse kommen1,5,13.

Die größte veröffentlichte Fallserie, bei der Daten von 232 Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) ausgewertet wurden, ergab die folgenden Häufigkeiten für Befunde14:

  • 90 % Anämie (medianes Hämoglobin: 9,5 g/dL; bei 10 % kompensierter Hämolyse)
  • 90 % Hämolysezeichen (hohe Werte für Bilirubin und Laktatdehydrogenase [LDH]; erniedrigtes Haptoglobin)
  • 52 % kälteinduzierte Symptome (meist Akrozyanose)

Schwerere kälteinduzierte Symptome wie das Raynaud-Phänomen oder sogar Ulzerationen traten nur zu einem kleinen Anteil auf. In 38 – 47 % dieser Fälle erhielten die Patient*innen Transfusionen entweder vor der Erstdiagnose oder während der Verlaufskontrollen14.

Bei Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) unterscheidet man zwischen kälteinduzierten reversiblen Symptomen und chronischen komplementvermittelten Symptomen (vgl. Pathophysiologie und Ätiologie). Kälteinduzierte Symptome, die aufgrund der agglutinierten Erythrozyten entstehen, treten häufig auf. Sie sind vorübergehend und verschwinden bei warmen Temperaturen wieder, können aber dennoch als sehr unangenehm empfunden werden1. Weiterhin besteht aufgrund der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien15,16 (vgl. Abschnitt Krankheitslast).

Kälteinduzierte Symptome
> Entstehung durch Kälteagglutinine
> meist reversibel
Komplementvermittelte Symptome
> Entstehung durch Abbau der Erythrozyten
> Irreversibel
Akrozyanose1,2 Hämolyse1,10
Raynaud-Syndrom1,2 Anämie, Dyspnoe1,5
Ischämen2 Fatigue1
Livedo reticularis (Kältemarmorierung3 Ikterus1,17
  Hämoglobinurie4

 

Kälteinduzierte Symptome

Kälteinduzierte Symptome entstehen bei der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) aufgrund der Agglutination der Erythrozyten durch IgM bei Temperaturen unterhalb der Körperkerntemperatur (vgl. Pathophysiologie und Ätiologie). Die Symptome treten vor allem im Bereich der Akren auf und sind bei der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) sehr typisch und häufig. Sie sind leicht bis schwer ausgeprägt und verschwinden bei Erwärmung wieder1.

Wichtige kälteinduzierte Symptome sind Akrozyanose – eine dunkelviolette bis graue Verfärbung der Haut in den Akralbereichen (z. B. Fingerspitzen, Zehen, Nase und Ohren) und Livedo reticularis/Kältemarmorierung – eine brüchige, fleckige Haut mit vernetzten Gefäßmustern und einer rot-blauen Färbung. Außerdem kommen scharf abgegrenzte Farbveränderungen der Haut an den Fingern (Raynaud-Phänomen), Hautulzeration oder in schweren Fällen sogar Nekrosen (Gangrän) vor2,3,18. Patient*innen berichten darüber hinaus von Unbehagen bis hin zu Schmerzen beim Schlucken von kalten Speisen oder Flüssigkeiten11.

Hämolysezeichen

Ein wichtiges Kriterium für die Klassifizierung der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) als autoimmunhämolytische Anämie (cAIHA) ist der Nachweis der Hämolyse1. Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) zeigen oft chronische Hämolysezeichen2, wobei neben erniedrigten Hämoglobin-Werten erhöhte Bilirubin- und/oder Lactatdehydrogenase-(LDH-) und erniedrigte Haptoglobin-Werte auftreten können (vgl. Diagnose der Kälteagglutinin-Krankheit)1.

Symptome einer Anämie sind bei Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) sehr variabel. Es können Belastungsdyspnoe, Dyspnoe in Ruhe und verschiedene Grade von Müdigkeit (Fatigue) auftreten. Die Fatigue ist dabei nicht nur eine Folge der Anämie, sondern auch der Komplementaktivierung und Hämolyse5,10,17. Einige Personen können eine Gelbsucht oder eine leichte Splenomegalie im Zusammenhang mit einer Hämolyse entwickeln1.

Schweregrad der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD)

Der Schweregrad der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) reicht von einer vollständig kompensierten Hämolyse ohne Anämie bis hin zur schweren hämolytischen Anämie, die Transfusionen erfordert11,14. Einige Patient*innen leiden an einer chronischen kompensierten hämolytischen Anämie mit Episoden/Krisen von schwerer Anämie, beispielsweise ausgelöst durch kalte Temperaturen, Infekt- oder Entzündungsreaktionen13,18. Die Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) wird als schwer bezeichnet, wenn der Hb-Wert auf unter 8 g/dl sinkt und unter Umständen eine Transfusion nötig ist. Häufig treten hierbei auch relevante Symptome einer Anämie auf1.

In größeren Fallserien betragen die medianen Hämoglobinwerte bei der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) 9 bis 10 g/dl. Einige Personen liegen dabei im Normbereich und andere nur bei 4,5 g/dl Hämoglobin12,14. In einer großen Serie von 232 CAD-Patient*innen wiesen 25 bis 30 % einen Hämoglobinwert von < 8 g/dl auf14. Eine weitere Studie verzeichnete bei 72 % der Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) innerhalb des ersten Jahres eine schwere Anämie5.

Krankheitslast

Alle Symptome der Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) können die Lebensqualität der Patient*innen beeinträchtigen5. Dabei wird die Krankheitslast meist unterschätzt. Patient*innen mit Kälteagglutinin-Krankheit (CAD) haben, ebenso wie Personen mit anderen hämolytischen Erkrankungen, zusätzlich ein signifikant höheres Risiko für Thromboembolien. Zuletzt wiesen Studien auch eine höhere Sterblichkeitsrate in den ersten fünf Jahren nach Diagnose nach5–9.

Inzidenz Thromboembolien: CAD-Patient*innen vs. Vergleichsgruppe

Abbildung: Gegenüberstellung der Inzidenz thromboembolischer Ereignisse bei CAD-Patient*innen und der Vergleichsgruppe

Jahr Überlebenswahrscheinlichkeit
  CAD-Kohorte Angepasste Vergleichsgruppe
1 83% 97%
2 75% 89%
3 61%

82%

    1. Jäger U, et al. Blood Rev. 2020;41:100648.

    2. Berentsen S, et al. Hematol Oncol Clin North Am. 2015;29(3):455-471.

    3. Sharma K, et al. N Engl J Med. 2019;381(13):e27.

    4. Berentsen S. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2016;2016(1):226-231.

    5. Mullins M, et al. Blood Adv. 2017;1(13):839-848.

    6. Bylsma LC, et al. Blood Adv. 2019;3(20):2980-2985.

    7. Broome C, et al. Blood. 2017;130(Suppl 1):928.

    8. Kamesaki T, et al. HemaSphere. 2019;3(Suppl 1):169.

    9. Hill QA, et al. Blood. 2019;134(Suppl 1):4790.

    10. Berentsen S, et al. Semin Haematol. 2018;55(3):141-149.

    11. Berentsen S, et al. Br J Haematol. 2018;181(3):320-330.

    12. Berentsen S, et al. Haematologica. 2006;91(4):460-466.

    13. Ulvestad E, et al. Scand J Immunol. 2001;54(1-2):239-242.

    14. Berentsen S, et al. Blood. 2020;136(4):480-488.

    15. Peerschke EI, et al. J Exp Med. 1993;178(2):579-587.

    16. Polley MJ, et al. J Exp Med. 1983;158(2):603-615.

    17. Hill QA, et al. Br J Haematol. 2017;176(3):395-411.

    18. Koike Y, et al. Indian J Dermatol Venereol Leprol. 2014;80(6):575-576.

    19. Lyckholm LJ, Edmond MB. N Engl J Med. 1996;334(7):437.

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