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Diese Seite richtet sich an medizinisches Fachpersonal in Österreich.

Der Preis der wirren Wege

Falsch organisierte Arbeitswege kosten Ordinationen Ressourcen und bringen Stress. Lesen Sie, wie unter anderem Behandlungsleitlinien helfen können, das Alltagschaos in den Griff zu bekommen.

© Springer Wien

Ärzteberater verbringen oft ihre Zeit damit, nachzudenken, wie Ärzte ihre Zeit verbringen. Das Resultat der Analyse ist ein Röntgenbild eines ganzen Arbeitstages. Reinhold R. Wolff, seines Zeichens Organisationsberater und Innenarchitekt aus dem schwäbischen Oberndorf, hat sich die Mühe gemacht, sämtliche Bewegungs- und Arbeitsabläufe einer Ordination zu tranchieren. 

Falsche Wege

Für den Buchautor (Rationelle Praxisorganisation, Deutscher Ärzte-Verlag Köln) können undurchdachte Praxisräume Kostentreiber Nr. 1 sein. Sie verhindern optimale Arbeitsabläufe und verursachen zusätzliche Personalkosten. Bei herkömmlicher Praxisplanung verbraucht ein Arzt laut Wolff z.B. am Tag durchschnittlich zwei Stunden seiner Arbeitszeit für Wege innerhalb der Praxis. Diese Zeit soll gut genutzt werden: Bei 4.867 Aktivitäten bleibt jede Menge Sparpotenzial übrig.

Die Kleinteiligkeit der Methode mag diskussionswürdig sein – sie erlaubt aber eine genaue Untersuchung, wie sich die Belastung für das Praxisteam über den Tag verteilt. Im Idealfall werden Belastungsphasen vermieden, indem Abläufe optimiert und über den gesamten Arbeitstag eine gleichmäßige Auslastung angestrebt wird.

Aufbau von Fakten

Im Durchschnitt kommen in einer Einzelpraxis auf einen Arzt drei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, für deren Wege durchschnittlich ebenfalls zwei Stunden pro Tag zu veranschlagen sind. Bei optimierter Arbeitsplanung kann der Zeitaufwand für Wege um bis zu 40 Prozent verringert werden. Das reduziert den Stress und fährt die Personalkosten nach unten (Überstunden).

Der Aufbau eines gesteuerten Praxisablaufs verlangt nach Grundlagendaten: Die Ärztin oder der Arzt müssen über mehr Organisationswissen verfügen als die Gewissheit, dass es so nicht weitergeht. Eine zwei- bis dreiwöchige Situationsanalyse im Praxisteam liefert die notwendigen Rohdaten. Die Grundlage dafür sind Aktionskategorien, die für die Zuteilung der Arbeitsschritte sorgen.

1. Was macht der*die Mediziner*in wann?

Als Aktionskategorien kommt alles infrage, was der*die MedizinerIn für relevant erachtet.

  • Wie viele Beratungen fallen an?
  • Untersuchungen
  • Rezepte schreiben und/oder unterschreiben
  • Spritzen
  • Hausbesuche
  • Telefonate
  • Krankschreibungen
  • Arztbriefe
  • Ergometrien
  • Endoskopien, etc.

Den Spezifizierungen ist kein Ende gesetzt. Bei der späteren Auswertung können Clusterungen vorgenommen werden wie etwa Diagnosen, Therapien, Kassen- und Büroadministration etc. Wichtig ist, dass jede Aktivität zeitlich zuordenbar wird.

2. Was macht jede*r Assistent*in?

Auch hier spielt die durchschnittliche Zeitermittlung eine wichtige Rolle. So wird die Dauer jeden Patientengespräches notiert, um den durchschnittlichen Zeitaufwand zu ermitteln.

  • Empfang der Patienten
  • Telefon
  • Formulare
  • Rezepte ausdrucken
  • Labor
  • EKG
  • Lungenfunktion, etc.

In Summe lässt sich die aufwändige Administration eines Erstpatienten mit der bündigen Konversation mit einer Stammpatientin kumulieren und auf einen Durchschnittswert zurückführen. Die Aktivitäten finden ihren Einfluss später auch in die notwendigen Stellenbeschreibungen.

Welche typischen Krankheitsbilder treten auf?

Alle Diagnosen werden aufgelistet und alphabetisiert. Empfehlenswert ist dabei die Orientierung an einer Diagnosekodierung, wie sie – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – in nächster Zeit für Österreichs niedergelassenen Bereich obligatorisch wird.

Welche typischen Arbeitsschritte verlangt die Einzeldiagnose?

Der Arzt schreibt für die häufigsten Krankheitsbilder seiner Ordination genaue Behandlungsleitlinien vor. Dabei ist er völlig ungebunden: Aber natürlich ist es sinnvoll, sich an den offiziellen Behandlungsleitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften bzw. der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung (ÖQMed) zu orientieren. Wenn es in der Ordination für die häufigsten Krankheitsbilder einheitliche Vorgaben gibt, beschleunigt dies den Arbeitsablauf. In der Praxis werden die Leitlinien der ÖQMed mit den Alltagserfahrungen der eigenen Ordination angereichert. Sämtliche Teammitglieder wissen, was zu tun ist. Der Arzt sichert die Qualität seiner Leistung.

Welche Verrechnungsschritte sind zu administrieren?

Aufgrund der in den Leitlinien definierten und gesetzten Behandlungen lassen sich vorgegebene Verrechnungsroutinen und Vorlagen erstellen. Auch Folgebehandlungen verlaufen nach einem vorgegebenen Muster. Die Abrechnungsverwaltung wird dadurch stark beschleunigt.

Wiederkehrende Herausforderung

Jede niedergelassene Medizinerin und Mediziner definieren, in welchen Bereichen die Schwerpunkte seiner Ordination liegen. Dennoch: Ohne Auswertung und Zuordnung der Praxisaktivitäten gibt es keinen klaren Überblick. Erkannte Routinefälle werden effizient behandelt und – aus Managementsicht – schneller administriert. 90 Prozent der Patientenfälle lassen sich nach einem eingespielten Verhaltensmuster abwickeln. Wer diese Anforderungen effizient erledigt, hat mehr Zeit für die restlichen zehn Prozent der Fälle, die die gewohnten Raster sprengen.  

Anzahl der Krankenhausentlassungen in Österreich nach Hauptdiagnosen im Jahr 2021

Die vorliegende Statistik zeigt die Anzahl der Krankenhausentlassungen in Österreich nach Hauptdiagnosen im Jahr 2021. Eine vergleichbare Statistik für den niedergelassenen Bereich existiert in Österreich bislang mangels Diagnosecodierung nicht. 

Autor: Josef Ruhaltinger