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Der Tod im Netz (Das digitale Erbe)

Hinterbliebene müssen den digitalen Nachlass ihrer Verstorbenen ordnen. Das ist nicht immer einfach. Mittlerweile gibt es auch schon Versicherungen, die sich im Ablebensfall darum kümmern. 

© Springer Wien

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Die menschliche Endlichkeit lädt zum Philosophieren ein. Wenn es aber um praktische Fragen wie Erben, Vererben oder Hinterlassenschaft geht, stocken die Dinge. Sterben ist ein Thema, das befangen macht. Man spricht nicht darüber. Aber wer das Thema für seine Person nicht ordnet, hinterlässt Chaos – in der analogen und zunehmend auch in der digitalen Welt.

Für die Hinterbliebenen geht es heute nicht nur um Sparbücher, Immobilien oder unbezahlte Kredite, sondern auch um soziale Medien, Benutzerkonten bei Onlineshops und E-Mail-Anbieter. Wir alle verwenden Bezahldienste wie PayPal, beziehen Abos von Streaming-Angeboten, lagern Daten in diverse Cloud-Dienste aus, nutzen Onlinebanking und Handysignatur, kaufen digitale Medien wie E-Books, Musik und Filme und betreuen vielleicht einen eigenen Blog oder eine Website.

Wenn Onlinedienste weiterlaufen, kommt es zu Abbuchungen, sobald die Konten wieder freigegeben sind. Und es geht beim Tod um die Verfügungsgewalt über Texte und Bilder, die in der Cloud geparkt oder auf Blogs veröffentlicht wurden. Und mitunter geht es um wirklich viel Geld. Wie sieht die Situation aus, wenn der Verstorbene mit Bitcoins gehandelt hat? Und will man überhaupt, dass die Nachkommen vom digitalen Erbe erfahren?

Nicht immer sind alle Internetaktivitäten verwandtenkompatibel. Am besten ist es, man bestimmt selbst über ein Schriftstück oder im Testament, wer Zugriff auf digitale Daten haben soll und wer dabei was darf. Aber dies machen die wenigsten. Eine Umfrage der E-Mail-Anbieter WEB.DE und GMX zufolge haben erst acht Prozent der deutschen Internetnutzer Zugangsdaten für alle Online-Konten bei einem Vertrauten hinterlegt.

Vager Rechtsraum

Rechtlich ist nicht geklärt, wie mit einer Hinterlassenschaft in der Online-Welt umzugehen ist. Viele Punkte sind noch unklar und die Materie weitgehend ungeregelt, sowohl auf österreichischer als auch europäischer Ebene. Verkompliziert wird die Sache zudem, wenn ein Todesfall mehrere Staaten betrifft, z.B. die verstorbene Person in Österreich gelebt und einen E-Mail-Dienst eines US-amerikanischen Unternehmens genutzt hat.

Daten bleiben im Netz

In manchen Netzwerken gibt es die Möglichkeit, ein Konto zu deaktivieren. Das Konto wird in diesem Fall nicht gelöscht, sondern stillgelegt. Da die Daten gespeichert bleiben, kann ein stillgelegtes Konto jederzeit wieder aktiviert werden. Die Daten bleiben dabei im Netz verfügbar und auffindbar (beispielsweise über archive.org). Google bietet ein „Kontoinaktivitätsmanagement“ an, um den digitalen Nachlass zu verwalten. User können einen Zeitraum definieren, indem man sich einloggen sollte. Tut man das nicht, wird automatisch eine Nachricht z.B. mit den Zugangsdaten an definierte Kontakte geschickt. Wer will, kann sogar die automatische Löschung des Kontos nach Ablauf des Zeitraums einstellen.

Digitaler Nachlass

Möchten die Hinterbliebenen eine Kontolöschung durchführen lassen, müssen sie üblicherweise einen Antrag stellen und den Tod der betreffenden Person nachweisen (Sterbeurkunde); in manchen Fällen bedarf es auch einer sogenannten Einantwortungsurkunde (offizieller Nachweis der Rechtsnachfolge) oder einem Nachweis der Verwandtschaft/sonstigen Verbindung zur verstorbenen Person. Nach Vorlage dieser Unterlagen und deren Bearbeitung seitens der Onlinedienste werden – je nach Bedarf – die Konten gelöscht oder unter Umständen die Daten an die Hinterbliebenen weitergegeben.

Zuckerbergs Vermächtnis

Facebook und Xing geben im Gegensatz zu anderen Sozialen Netzwerken auch im Todesfall aus Datenschutzgründen keine Daten an Dritte weiter. Facebook bietet aber zwei Möglichkeiten, mit dem Konto einer verstorbenen Person umzugehen. Die Hinterbliebenen können das Konto vollständig bereinigen oder es in den Gedenkzustand versetzen lassen. Beim Gedenkzustand wird das entsprechende Profil eingefroren, befreundete Nutzerinnen und Nutzer können aber beispielsweise Erinnerungen in die Chronik der verstorbenen Person posten.

Darüber hinaus haben Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer die Möglichkeit, zu Lebzeiten eine Erbin oder einen Erben für das eigene Konto auszuwählen („Nachlasskontakt“). Einer der eigenen Facebook-Kontakte bekommt hierbei die Ermächtigung, im Falle des eigenen Todes das digitale Erbe des Facebook-Profils übernehmen zu können. Xing hingegen schaltet das Profil einer als verstorbenen gemeldeten Person zunächst inaktiv und sendet eine E-Mail an den Nutzer. Bleibt diese E-Mail innerhalb von drei Monaten unbeantwortet, wird das Profil endgültig gelöscht. LinkedIn geht ähnlich vor: Berechtigte Erben können beantragen, das Profil in den Gedenkzustand zu setzen oder zu löschen. Die sonst so formlosen Plattformen sind dabei penibel: Dazu braucht es eine Kopie der Sterbeurkunde des Mitglieds sowie ein Dokument, dass die Berechtigung des Antragstellers klärt (Behördenschreiben, Testamentsabschrift, etc.).

Vorsorgen über Dritte

Soll den Hinterbliebenen jedoch kein Zugriff ermöglicht werden, besteht die Möglichkeit, einen vertrauenswürdigen Dritten (z.B. Rechtsanwalt, Notar) mit der Abwicklung des digitalen Nachlasses zu beauftragen. Es gibt mittlerweile auch Unternehmen, die auf die Abwicklung des digitalen Nachlasses spezialisiert sind. Bei solchen Unternehmen ist allerdings Vorsicht geboten, da diesen zur Abwicklung sehr sensible Daten zur Verfügung gestellt werden müssen.

Versicherung für eine reine Weste

Es gibt auch Versicherungspolizzen, die sich im Ablebensfall um den digitalen Nachlass kümmern. Eine österreichische Assekuranz bietet ein „Digitales Nachlass Service“ an, das nach einem Todesfall alle digitalen Formalitäten aus einer Hand abwickelt und dafür die Kosten übernimmt. Manche Bestattungsunternehmen bieten heute das gleiche Service an: Sie kooperieren mit spezialisierten Unternehmen, die sämtliche Formalitäten abwickeln. Die Maßnahmen beginnen beim Abmelden des Verstorbenen bei Behörden und Krankenkassen und reichen bis zur Kündigung von Verträgen mit Telekommunikations- und Energieanbietern. Ebenso werden digitale Hinterlassenschaften, Online-Verträge oder Mitgliedschaften bei E-Mail-Diensten und in sozialen Netzwerken geregelt. Die digitale Welt entlässt ihre Bewohner nur ungern.

Umfrage zu potentziellen Erben des digitalen Nachlasses im Todesfall (2019)

Diese Statistik bildet das Ergebnis einer Umfrage zu potenziellen Erben des digitalen Nachlasses im Todesfall in Deutschland im Jahr 2019 ab. 48 Prozent der Befragten gaben an, im Todesfall ihren Ehepartnern Zugriff auf ihre Daten gewähren zu wollen.