Skip To Main Content
Diese Seite richtet sich an medizinisches Fachpersonal in Österreich.

Papierlos ins neue Ordi-Zeitalter

Schon seit zwei Jahren „papierlos unterwegs“ ist der Allgemeinchirurg Dr. Friedrich Weiser. Für ihn hat sich der Wechsel gelohnt: Auf den iPads scheinen Selbstauskünfte der Patienten genauso auf wie Vorbefunde und Medikationen. Statt mühseliger Suche im Archiv seien ältere Befunde in Sekunden auf dem Bildschirm. Mehr dazu in einem ausführlichen Gespräch mit Dr. Weiser.

Interview: Jetzt haben wir alles auf Knopfdruck

Vor zwei Jahren hat Dr. Friedrich Anton Weiser radikal mit Papier Schluss gemacht. In seiner Gruppenpraxis für Allgemeinchirurgie im 23. Wiener Bezirk haben Computer und Datenspeicher das Regiment übernommen. Im Interview berichtet er, warum er sich für die Umstellung entschieden hat und mit welchem Erfolg.

Herr Dr. Weiser, weshalb die Umstellung von Papier auf Datenspeicher?

Weiser: Wir sind verpflichtet, alle Patienten betreffende Dokumente zehn Jahre aufzuheben. Und: Wir haben in Österreich eine dreißigjährige Nachhaftung. Wir sind also gut beraten, alle Unterlagen und Beratungsbögen nicht nur zehn, sondern 30 Jahre aufzuheben. Wir machen sehr viele Untersuchungen und kommen daher im Monat auf etwa eintausend Aufklärungs- und Anamnesebögen zu je zwölf Seiten. Hochgerechnet aufs Jahr sind das 144.000 Seiten. Und das mal dreißig … Denken Sie daran, was das alleine an Papier kostet und an Druckerpatronen. Am Ende ist für uns die papierlose Ordi billiger als die Papiervariante – nicht wahnsinnig, aber ein wenig schon.

144.000 Seiten pro Jahr – da kommt eine unglaubliche Papierflut zusammen – und man muss die Dinge ja auch wieder finden können. Wenn in fünfzehn Jahren ein Patient kommt und sagt, da war etwas nicht in Ordnung, dann muss ich mich freibeweisen. Und das kann ich nur, wenn ich auf die Dokumente zugreifen kann. Solange ich alles auf Papier festhalte, brauche ich immer mehr Lagerplatz. Und ich muss ein Archivsystem einrichten, dass mir erlaubt, die Sachen wieder zu finden. Alles wahnsinnig kompliziert.

Mein Ordi-Partner Dr. Halkawt Al-Mufti war übrigens am Anfang sehr skeptisch. Bis ich zu ihm sagte: „Bitte, geh hinunter in die alte Ordi. Such’ den Befund der Frau Maier vom 17. Juli 1994. Und in drei Monaten sehen wir uns wieder …“ Das hat ihn überzeugt. Der ganze Raum war voll mit Kartons. Da was zu finden, war irre. Und jetzt haben wir alles auf Knopfdruck.

Ganz wichtig sind am Anfang jeder Arzt-Patient-Beziehung Aufklärung und Anamnese. In vielen Ordinationen bekommt man dafür Papier, Kugelschreiber und ein Klemmbrett. Wie ist das in der papierlosen Ordination?

Weiser: Dafür verwenden wir Tablets. Was die Patienten darauf angeben, ist auf Knopfdruck und für alle Zeiten in der elektronischen Datei gespeichert. Und es ist bei jeder nachfolgenden Konsultation sofort verfügbar. Das Einzige, was auf Papier noch übrig bleibt, ist der schriftliche Befund – den dürfen wir noch nicht digitalisieren. Aber alles andere haben wir so gut wie frei von Papier.

Wie kommen ältere Patienten mit den Tablets zurecht?

Weiser: Ganz unterschiedlich. Ich hatte an einem Tag einen neunzigjährigen Patienten, der hat sich das Tablet angeschaut, hat sich umgedreht und gesagt „Mit mir nicht“. Und am selben Tag war ein Jurist eines Privatkrankenhauses da und sagte, unser System sei genial, er werde es in seinem Spital einführen. Also diese Bandbreite gibt es. Natürlich hilft einer unserer Mitarbeiter, wenn jemand mit dem System nicht zurechtkommt. Aber 99 Prozent der Patienten haben damit keine Probleme.

Wenn Daten 30 Jahre lang zur Verfügung stehen müssen – wie schützen Sie sich vor Datenverlust oder Hacker-Angriffen? Ist das, was Sie tun, gesetzlich erlaubt und zulässig?

Weiser: Die Server in der Ordination sind mit einer Firewall gegen Angriffe geschützt. Ältere Daten lagern wir in die Cloud aus. Unser IT-Dienstleister synMedico sagt, sie seien dort ebenfalls gut aufgehoben. Bevor wir ins Zeitalter der Papierlosigkeit gewechselt haben, habe ich alles von zwei Top-Juristen checken lassen. Deren Befund: Was wir planen, sei State of the Art. Natürlich gibt es Leute, die es schaffen, sich ins Pentagon zu hacken. Aber warum sollten die Zeit und Mühe auf eine Ordi in Wien 23 verschwenden?

Abschließend gefragt: Was haben Patienten und Patientinnen von der papierlosen Ordination?

Weiser: Sie wissen, dass ihre Daten jederzeit verfügbar sind. Und dass wir Ärzte bei Beschwerden auf Knopfdruck ihre Krankengeschichte aufrufen und ausdrucken können.

Zitat: Am Ende ist für uns die papierlose Ordi billiger als die Papiervariante.
Dr. Friedrich Anton Weiser, Gruppenpraxis Medico Chirurgicum, Wien

Neue Arbeitsabläufe begleiten

Norbert Haimberger arbeitet für synMedico – einem Unternehmen, dass sich dem papierlosen Dokumentieren aller Patientenvorgänge verschrieben hat. „20 Prozent der Arztpraxen sind entweder gerade dabei, sich umzustellen, oder sie interessieren sich hochgradig dafür“, sagt Haimberger. Haimbergers Mitarbeiter klopfen an viele Ordinationstüren. Aber sie laufen selten offene Türen ein.

Aufklärung, Coaching und Begleitung machten 60 Prozent der Tätigkeit von synMedico aus, sagt Haimberger – obwohl man eigentlich nur ein Produkt verkaufen wolle. Aber es gehe eben nicht um Papier hinter Glas, sondern um neue Arbeitsabläufe. „Unsere Software ist in zehn Minuten erklärt. Aber die neue Art zu arbeiten, muss vermittelt und erlernt werden.“ In der Regel seien dafür drei Trainings mit dem Ordi-Team nötig und ein Training mit dem Arzt oder der Ärztin.

SynMedico ersetzt Papier durch iPads. „Dieses digitale Klemmbrett liefert auf Knopfdruck die Befunde und Patientendaten. Man kann auf ihm mit Bildern und Videos den Patienten etwas zeigen.“ Ergebnis: Die Qualität der Aufklärung werde besser – das sei auch die Erfahrung der Kunden: Es gebe signifikant weniger Gerichtstermine, zufriedenere Patienten, Ärzte und Assistentinnen. Außerdem sei es leichter, mit Bildern und Videos Patienten zu erreichen, die nicht gut Deutsch sprechen. Früher mussten dazu oft Video-Dolmetsche zugeschaltet werden – diese sind mühsam und teuer, sagt Haimberger. Heute genüge es, einmal eine Videosequenz oder Bilderfolge auszuwählen, sie am iPad oder am Ordi-Computer zu zeigen und dann das Gezeigte abzuspeichern. Dies gewährleiste eine gleichbleibende Qualität der Aufklärung, „auch wenn der Arzt im Stress oder Zeitdruck ist oder einen schlechten Tag hat“.

Mit dem Stift des iPad können Notizen per Hand angefertigt und archiviert werden. Außerdem, so Haimberger, sei es möglich, Patienten Informationen nach Hause zu mailen – bei striktem Einhalten des Datenschutzes. So könnten Patienten eine vorgeschlagene Therapie noch einmal überdenken oder mit ihrer Familie besprechen.

Das einfachste Paket an Programmen koste etwa 200 Euro im Monat – es decke den Formularbereich für die Anamnese ab und die Videos und Bilder für die Aufklärung der Patienten. Dieses Abosystem sei notwendig, weil Teile der Software ständig angepasst werden müssten, etwa an neue Versionen der Betriebssysteme von PCs und iPads.

Autor: Josef Broukal