Wenn sich die späte Verlaufsform von Morbus Pompe (LOPD; late-onset Pompe disease) erstmalig im Kindes- oder Jugendalter manifestiert, spricht man von einer juvenilen Verlaufsform. Wie bei Erwachsenen Morbus Pompe Patient*innen betrifft die Muskelschwäche hier vor allem die proximale Skelett- und die Atemmuskulatur.1-3

Die Kinder fallen zuerst oft durch Unsportlichkeit und mangelnde Bewegungsfreude auf. Ihre motorische Entwicklung ist oft verzögert, die Muskeleigenreflexe vermindert. Auffällig ist häufig auch eine Schwäche der Nackenmuskulatur. Als weitere Symptome können eine Skoliose oder ein Rigid-Spine-Syndrom sowie Kontrakturen der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke auftreten. Die Kinder entwickeln oft schon früh eine muskuläre Atemstörung.3-5

Unsportlichkeit / Mangelnde Bewegungsfreude unbekannter Ursache

Nicht selten berichten Eltern, dass ihr Sohn/ihre Tochter unsportlich sei und keine Freude an Bewegung habe. Ältere Kinder und Jugendliche äußern dies mitunter auch selbst. Das kann so weit gehen, dass das Kind/der Jugendliche im Sportunterricht schlecht abschneidet oder ihn sogar verweigert. Abgesehen von möglichen sozialen Folgen wie Hänseleien oder Ausgrenzung sollten solche Informationen auch deshalb ernst genommen werden. Denn eine Ursache kann sein, dass den Betroffenen Bewegung schwerfällt – und dies wiederum kann auf eine bislang nicht erkannte Störung oder Erkrankung hinweisen. Viele erwachsene Patient*innen mit Muskelerkrankungen berichten, dass sie bereits in der Kindheit und oftmals lange, bevor die Diagnose gestellt wurde, als unsportlich galten.

Häufige Beobachtungen und Aussagen aus dem Umfeld des Kindes

Beobachtungen und Aussagen aus dem Umfeld des Kinders, etwa von Eltern, Betreuern im Kindergarten, Lehrern in der Schule oder Trainern im Sportverein, können wichtige Hinweise auf Probleme in der motorischen Entwicklung geben. Typische Aussagen aus dem Umfeld von Patient*innen mit Muskelerkrankungen vor der Diagnose können beispielsweise lauten:

Das Kind/der Sohn/die Tochter ...

  • ist unsportlich / ist schlecht im Sport
  • ist bewegungsfaul / ist ein Bewegungsmuffel
  • hat keine Freude an Bewegung / hat keine Lust auf Sport
  • ist motorisch schlecht
  • stolpert häufig bzw. fällt häufig hin
  • hat Probleme beim Rennen
  • hat keine Ausdauer / ist schnell erschöpft
  • etc.

Auch wenn solche Sätze zunächst wenig spezifisch sind, sollten sie ernstgenommen werden und die Aufmerksamkeit bei der Überprüfung der motorischen Entwicklung besonders hoch sein.

Mögliche Symptome des juvenilen Morbus Pompe nach5
Fortschreitende rumpfbetonte Muskelschwäche
  • verzögerte motorische Entwicklung
  • progrediente Muskelschwäche
    • Schwäche der Nacken- und Gesichtsmuskulatur
    • häufiges Stolpern
    • Probleme beim Rennen/Sport
    • Probleme beim Treppensteigen
    • erschwertes Aufrichten aus der Rückenlage
    • erschwertes Aufstehen aus der Hocke oder aus dem Sitzen (Gowers-Zeichen)
    • verminderte oder fehlende Reflexe
  • orthopädische Probleme: Wirbelsäulendeformation (z.B. Skoliose)
  • Scapula alata
Zwerchfell- bzw. muskuläre Atemschwäche
  • verminderte körperliche Leistungsfähigkeit
  • Belastungsdyspnoe
  • Tagesmüdigkeit
  • rezidivierende Atemwegsinfekte
Laborbefunde
  • erhöhte Werte für:
    • Kreatinkinase (CK)
    • Laktat-Dehydrogenase (LDH)
    • Aspartat-Aminotransferase (AST = GOT)
    • Alanin-Aminotransferase (ALT = GPT)
weitere häufige Erstsymptome
  • anhaltende, unklare Diarrhoe
  • unklare Fatigue

Auffälligkeiten bei der U- bzw. J-Untersuchung

Wenn Sie bei der Überprüfung der motorischen Meilensteine eine verzögerte motorische Entwicklung zusammen mit Anzeichen für eine proximale Muskelschwäche beobachten, könnte auch ein Morbus Pompe dahinterstecken. Häufiges Stolpern oder Fallen und Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder Rennen können ebenfalls ein Hinweis darauf sein. Viele Betroffene können sich nur schwer aus der Rückenlage aufrichten und zeigen eine Schwäche der Nackenmuskulatur. Auch skelettale Auffälligkeiten wie z.B. eine Skoliose oder Scapula alata können vorkommen. Eine zusätzliche muskuläre Atemschwäche und/oder eine CK-Erhöhung können den Verdacht auf eine seltene Krankheit erhärten.5

Die Progredienz der juvenilen Verlaufsform ist wesentlich weniger rasch als bei der infantilen Verlaufsform. Langfristig kann es jedoch zur Rollstuhlpflichtigkeit und zur Notwendigkeit einer Atemunterstützung kommen. Die Lebenserwartung hängt von der Progression und der Beteiligung der Atemmuskulatur ab.1-3

    1. Hirschhorn R, Reuser AJJ. McGraw Hill, 2001:3389-3420
    2. Kishnani PS et al. Genet Med 2006; 8: 267-288
    3. Hahn A et al. Klin Pädiatr 2020: 232: 55-61
    4. Cupler EJ et al. Muscle Nerve 2012; 45: 319-333
    5. Van Capelle Cl et al. Orphanet J Rare Dis 2016;11(1):65.
    6. Hahn A et al. Monatsschrift Kinderheilkunde 2012;160:1243–1250